Talking Sex in Ghana
Wo liegt die Grenze des guten Geschmacks? Die Rap-Combo Fokn Bois (Wanlov the Kubolor und M3nsa) nehmen kein Blatt vor den Mund. Ihre Texte sind kontrovers und drehen sich meist um das eine: Sex. Dabei machen sie auch vor den Frauen der nigerianischen Terroristen von Boko Haram keinen Halt. Politisches Statement oder bloss Provokation?
Das Rap-Duo Fokn Bois hat es in ihrer Heimat Ghana in den letzten Monaten auf die Titelblätter geschafft. «Sexing Islamic Girls» heisst ein aktueller Song. Das Video dazu ist vollgepackt mit obszönen Anspielungen. Zu sehen sind Rapper M3nsa und Wanlov, wie sie verschleierten Frauen glitschiges Obst und Früchte in Phallusform reichen. Die Fokn Bois reagieren mit ihrem Video auf die wachsende Terrorgefahr in Westafrika. Die Islamisten von Boko Haram haben Verbindungen zu Al Quaida – seit knapp zwei Jahren machen sie regelrecht Jagd auf Christen im Norden Nigerias. Mittlerweile sind über 1000 Menschen bei Angriffen auf Kirchen gestorben. Erst letzten Sonntag tötete ein Sturmkommando 20 Besucher eines Gottesdienstes in der Stadt Kano. Die Fokn Bois stellen sich auf die Seite der Verfolgten und kontern mit provokanten Texten:
Wanlov: In den Nachrichten hört man immer wieder, dass die Boko Haram Terroristen in Nigeria Kirchen anzünden. Sie können also kaum Zeit haben um sich um ihre Frauen zu Hause zu kümmern. Wenn sie also mal wieder in «heiliger Mission» unterwegs sind, statten wir ihren Frauen einen Besuch ab und bringen ihnen Essen vorbei. Früchte wie Bananen und Kokosnüsse.
Das Thema ist höchst brisant. Auch wenn Boko Haram bisher nur in Nigeria Leute terrorisieren. In einer Videobotschaft vom Mittwoch haben sie neue Anschläge angekündigt. Auch die beiden Rapper der Fokn Bois könnten dabei ins Visier geraten. Das ist ihnen bewusst:
M3nsa: Wir wollen zeigen, dass Frauen mit islamischen Glauben, auch genüsslich, ihre Zeit verbringen können. Allerdings bin ich ein bisschen enttäuscht über die Reaktionen auf das Video. Ich dachte die Leute wären schockierter. Eigentlich hatten wir nicht erwartet, dass wir heute noch am Leben sind.
Der Song mit den muslimischen Frauen war nicht das einzige Lied der Fokn Bois, das kontrovers diskutiert wurde. Letzten Sommer sangen die Ghanaer: «Thank God, we are not a Nigerians.» Die HipHopper spielen darauf an, dass Ghana und der grosse Nachbar Nigeria seit langem ein schwieriges Verhältnis zueinander haben. In beiden Ländern wohnen jeweils Minderheiten der anderen Seite. In «Thanks God we are not a Nigerians» besingen Wanlov und M3nsa die Klischees, die zwischen Ghana und Nigeria existieren. Als der Song erschienen ist, durfte er in den Radios in Ghana nicht gespielt werden. Letztes Jahr aber haben die Terroranschläge auf Christen in Nigeria zugenommen. Seitdem bringen die Radiosender in Ghana den Song immer öfter.
Wanlov: Wir haben Morddrohungen per SMS erhalten. Und als wir im Radio zu Gast waren, haben Hörer angerufen und uns Prügel angedroht. Immer wenn wir auf der Straße Nigerianern begegnen, die den Song kennen, werden wir freundlich von ihnen begrüsst.
M3nsa: Die meisten Leute, die den Song nicht mögen, haben ihn selbst nie gehört. Sonst würden sie mit drüber lachen können. Erstens weil er lustig ist, zweitens weil er stimmt und drittens weil er ironisch gemeint ist und eigentlich mehr über uns Ghanaer aussagt, und wie sehr wir den Leuten in Nigeria ähneln, ja sogar schlimmer sind als sie. Es gibt also keinen echten Hass gegen Nigerianer.
Die beiden Fokn Bois kennen sich noch aus der Schulzeit in Ghana. M3nsa ging hinterher nach England, Wanlov in die USA. Heute nennt er sich «African Gypsy». Sein Markenzeichen sind lange Dreadlocks und ein bunter Wickelrock – darunter trägt er angeblich NICHTS. Den Beweis dafür lieferte er neulich in einer Talkshow im Ghanaischen Fernsehen:
Wanlov: Ich war zu Gast in der populärsten Talkshow in Ghana und wurde von der Moderatorin gefragt, ob ich Unterwäsche trage. Ich antwortete «Nein, ich trage keine Unterwäsche». Daraufhin hat die Moderatorin gesagt, dass ich es beweisen soll. Und das habe ich dann gemacht.
Wanlov hat sein bestes Stück zur Primetime im Fernsehen gezeigt. Hinterher war er in Ghana das grosse Gesprächsthema und verdrängte selbst den laufenden Wahlkampf aus der Berichterstattung. Seine Freizügigkeit hatte noch weitere Konsequenzen:
Wanlov: Die Moderatorin wurde gefeuert und sie haben fünf Mitarbeiter entlassen. Der Informationsminister fordert, dass ich bestraft werden soll und schlägt vor, dass ich das Gras am Flughafen für einen Monat lang mit einem Küchenmesser schneide. Während die Moderatorin mit dem Finger auf mich zeigt und mich alle Leute am Flughafen sehen können.
Wie ernst der Minister das gemeint hat, ist unklar. Fest steht, das solche Aktionen den Fokn Bois schon viel Ärger eingebracht haben. Als reine Provokateure sollte man die beiden Querdenker aus Ghana allerdings nicht abtun, sie haben durchaus ein ernstes Anliegen. Denn die Ghanaer haben Angst, dass sich Hass und Terror aus dem chaotischen Nigeria auch in ihrem verhältnismässig sicherem Land ausbreiten. Mit ihren Provokationen haben es die Fokn Bois geschafft, was anderen Rappern in Ghana nicht gelungen ist: Ihre Botschaften werden über die Landesgrenzen hinaus gehört.
Biography
Published on May 16, 2012
Last updated on April 30, 2024
Topics
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