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Herzen aus Stahl: Der Metal-Freak in uns

Blog Post
by Louis Schornoz

Früher stellte man sich den Heavy-Fan auf dem Lande männlich vor, weiss, zwischen 14 und 18 Jahre alt, geistig etwas minderbemittelt, sozial auffällig. Gedanken zur Metal-Kultur.

Früher stellte man sich den Heavy-Fan auf dem Lande männlich vor, weiss, zwischen 14 und 18 Jahre alt, geistig etwas minderbemittelt, sozial auffällig. Er war anzutreffen inmitten einem Rudel besoffen grölender Langhaariger. Wie verhält es sich heute? Womöglich sucht er sich sein Futter in urbanen Gebieten, ist eine sie, bi- oder homo-sexuell, farbig, zwischen 64 und 78, intellektuell, extrem asozial und kommuniziert mit Luzifer nur noch via SMS, Facebook oder Twitter. Mitte der 1980er stand unser Planet dank Kaltem Krieg am Rande des Untergangs, zum Glück herrschen heute paradiesische Zustände.

Metal-Harry ist der Mann der Stunde. Er überzeugt uns mit dem Argument, wie geil er sich fühlte, als er das erste Heavy-Riff hörte. Es ist ein andauernder Orgasmus. Sex gilt als unbequeme Nebensache und wenn es überhaupt dazu kommt, läuft im Hintergrund extremster Speed-, Death-, oder Black-Metal auf Stufe 10. Sogar die Frauen auf der Tanzfläche bangen schön mit dem Kopf gegen die Wand. Verdammt ist ein jeder, der es wagt, in der Disco «Jump» von Van Halen oder «The Final Countdown» von Europe zu wünschen. Mit stolzem, rauem und kratzigem Unterton im Hals zitierst du Manowar’s «Herz aus Stahl»:

...Schlag die Schlacht, leb wie du willst,
ich kenn keine Not, und keine Angst vor dem Tod.
Schlag die Schlacht, du hast die Wahl,
ich hab ein Herz aus Stahl!

Probe der Death-Metal-Band Weeping Willow in Libanon

Es gibt nur Gut und Böse, Echt und Abtrünnig, True Metal und Poser-Scheisse. Die grössten Sorgenkinder sind nach wie vor die Popper. Wie befürchtet, haben sie nichts dazu gelernt, begeben sich wieder zurück auf ein 80er-Jahre-Niveau, sowohl modisch, musikalisch und intellektuell. Wer schafft es bloss, sich mit Oberwasser-Hosen und Schulterpolster-Hemden derart zu blamieren? Jeder andere trägt T-Shirts mit Iron-Maiden- oder Judas-Priest-Aufdruck. Die einzige Hürde ist die, dass du dafür zum Albaner-Shop gehen und zuerst Hände und T-Shirts waschen musst, weil in dem ganzen Laden Glimmer von Frauenunterwäsche herumwirbelt.

Doch du bist stolz auf deine Antwort, wenn dich jemand anquatscht und fragt, welches dein Lieblingssong der Band auf dem Shirt sei, wie der neue Drummer heisse, welche Gitarrenmarke der Solo-Gitarrist spiele. Den Joint in deinen Fingern solltest du aber ausmachen, und als Typ mit Heavykutte darfst du unter keinen Umständen den Schmuck am rechten Ohr tragen. Der Schock in der Szene sitzt noch derart tief, weil sich damals Judas-Priest-Sänger Rob Halford als Schwuler outete. Nimm’ Abschied von deiner Gesundheit und beginne wieder zu rauchen und Bier zu trinken. Verbanne die schwarzen Strümpfe deiner Freundin, schenke ihr enge Jeans und ächte jeden, der es wagt, etwas anderes als Heavy Metal zu hören, denn du bist die Zukunft:

... die jetzt lachen und sich freu‘n,
werden es noch seh’n,
sie werd’n wie Schnee vergehn!

Biography

Louis Schornoz ist Heavy-Metal-Fan seit er das erste Mal ein solches Gitarrenriff gehört hat. Er macht seit seinem 15. Lebensjahr Musik mit unzähligen Bands und schrieb in den 90ern einmal CD- und Konzert-Kritiken für ein Schweizer Underground-Heftli. Seit 10 Jahren verfasst er ab und zu Sportartikel und Portraits für die Berner Zeitung. Von 2003–2007 war er spezialisiert auf Käseartikel für die Schweizerische Milchzeitung und die Alimenta-Fachzeitung für Lebensmittelwirtschaft. Heute arbeitet er selbstständig als DJ und Musiker. Den Rest seines Lebensunterhalts verdient er mit diversen Dienstleitungen im musikalischen Umfeld. Follow him on LinkedIn.

Published on January 02, 2013

Last updated on April 30, 2024

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