Radioclit

Radioclit: Irritierende Exotika

Blog Post
by Thomas Burkhalter

Was genau soll man von Radioclit halten? Das Kollektiv spielte an unserem 1. Norient Musikfilm Festival in Bern. So richtig glücklich aber wurden wir nicht mit ihnen. Auch bei uns verpassten sie zunächst einmal ihren Flug von London nach Zürich, kamen dann spät in Bern an und spulten schliesslich ihr Programm ab. Die Musik erinnert dann auch mal an die Melodien im Disney-Film Lion King. Zum Beispiel im Video «Kamphopo».

Ein endlos kreisendes Steeldrum-Sample, ältere Synthesizer-Sounds, dann ein wilder afro-euro-amerikanischer Mix: Karibische Soca, indianische Pop-Wow-Gesänge, südafrikanische Marabi, A-Capella, Highlife, Tribal Electro, Indie Pop, Dirty South Rap, Baltimore Club, Grime, Funk Carioca und wohl vieles mehr – diese Begriffe jedenfalls findet, wer sich all die Artikel durchschaut, die über Radioclit in den letzten Jahren geschrieben worden sind. Der Titel der letzten CD heisst: The Warm Heart of Africa. Auf dem Cover gibt’s Löwen, Elefanten, Giraffen in der Steppe, und darüber ein farbiger Abendhimmel. Im Video tanzende Kinder, eine Schönheit am Strand vor dem Sonnenuntergang. Einer mäht einen kümmerlichen Rasen mit einem alten Rasenmäher. Hauptperson und Sänger im Video ist Easu Mwamawaya. Er führt uns auf eine touristische Tour durch sein Heimatland Malawi.

Es war im Londoner Osten – in Hackney – wo der Schwede Johan Karlberg und der Franzose Etienne Tron (die beiden Köpfe von Radioclit) Easu Mwamawaya trafen. Er verkaufte den beiden in seinem Secondhand-Laden ein altes Fahrrad. Mann freundete sich an und landete schliesslich zusammen im Studio – und auf Welttournee. In einem Video auf YouTube sehen wir, wie Radioclit ihre Musik im Studio zusammenbastelt.

Es ist eine Zusammenarbeit mit sehr vielen afrikanischen Musikern verschiedener Generationen. Wir sehen einen Balafon-Spieler, der für Radioclit eine Riff einspielt – dirigiert vom Franzosen Tron. Dann singt Easu Mwamawaya den Refrain ein. Es folgen Violine und Cello. Die beiden Hauptpersonen von Radioclit überwachen den Aufnahmeprozess, entscheiden und kritisieren. Sie streuen auch die Beats und auch einige der Stimmen ein. Verwendet werden sehr viele Live-Instrumente, die dann manipuliert werden. Dabei wird viel gekifft.

Und dann wäre da noch dieser Track «Douster – King of Africa». Ich habe ihn kürzlich in einem DJ-Set in Winterthur gespielt – allerdings in einer anderen Version. Um drei Uhr in der früh funktioniert er einfach wunderbar! Und hier käme der «Lion King» denn auch tatsächlich vor.

Biography

Dr. Thomas Burkhalter is an anthropologist/ethnomusicologist, AV-artist, and writer from Bern (Switzerland). He is the founder and director of Norient and the Norient Festival (NF), co-directed AV-performances and documentary films (e.g. «Contradict», Berner Filmpreis 2020 + Al-Jazeera Witness), and is the author and co-editor of several books (e.g., «Local Music Scenes and Globalization: Transnational Platforms in Beirut», Routledge, «The Arab Avant Garde: Musical Innovation in the Middle East», Wesleyan University Press). He teaches regularly at universities, and runs workshops for arts institutions. Since 2022 he produces the Norient Mixtape for Swiss National Radio SRF3. Currently, he is working on his new music duo «Melodies In My Head», and on the podcast series «Long Take: Life as an Artist». Follow him on Instagram, Research Gate, Academia.edu, Bandcamp, Spotify, or Meta.

Published on June 03, 2010

Last updated on April 30, 2024

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