Mac McKenzie (photo: music.org.za)

Eine Symphonie aus den Townships Kapstadts

Essay
by Veit Arlt

Goema steht für den toxisch-ansteckenden Rhythmus des Kapstädter Karnevals der auf die Sklaven der Hafenstadt am Kap der Guten Hoffnung zurückgeht und Elemente aus Afrika, Südost-Asien und Amerika in sich vereint. Der Sound hat heute seine Wurzeln in den windigen Cape Flats, wo sich Schuhschachtel-Häuschen aneinanderreihen, seit die Apartheid-Regierung ab den 1950er einen Grossteil der Bevölkerung Kapstadts hierher zwangsumsiedelte. Hier wohnt auch Mac McKenzie der als Bassist der Genuines südafrikanische Rockgeschichte schrieb, dann auf die Gitarre umsattelte, um mit seinen Goema Captains of Cape Town eine der originellsten Bands ins Leben zu rufen, die die südafrikanische Jazzszene zu bieten hat.

Sklaven gibt es keine mehr am Kap der Guten Hoffnung, doch der Karneval ist auch heute noch ganz klar Sache der Arbeiterklasse. Auch während der Apartheid haben sie jeweils zum Neujahr mit ihrem Fest der Sinne die Innenstadt zurückerobert, von wo sie vertrieben worden waren. Ihr Karneval bescherte nicht nur Lebensfreude sondern verlieh auch Selbstbewusstsein. Wie wichtig Karneval ist, thematisiert der Film The Silver Fez (2009), der als Dokudrama die Kultur des Karnevals und seine wichtige Funktion für die Mischbevölkerung Kapstadts aufzeigt.

Wie schon sein Vater engagiert sich Mac McKenzie in einer Karneval-Band, die ihm als Quelle der Inspiration dient. Sein Anliegen ist, die Goema-Tradition vom Stigma der Benachteiligung zu befreien, indem er sie weiterentwickelt – sei es zu Rock in den 70er-80er Jahren, dann zu Jazz («Penthouse Goema»), oder neuerdings zu einer Symphonie. 2005 fing die Vision bei Mac zu reifen an, dass Goema die Konzertsäle der Philharmonien erobern müsse.

Im April 2006 erprobte er die Ideen erstmals mit seinen Goema Captains im Basler bird's eye jazz club. Da er keine Noten vorlegen konnte, reichte es der Band nur die zwanzigminütige Ouvertüre für «The Journey» zu proben, die nicht nur eine Reise durch die Geschichte und die Kulturen Kapstadts sondern auch durch McKenzies musikalischen Werdegang darstellt. Fürs restliche Programm musst sie dann auf ältere Kompositionen zurückgreifen. Zurück in Kapstadt begann Mac, der nie eine formale Musikausbildung genossen hat, seine Ideen mit Hilfe von jungen Musikern auf Papier zu bringen. Doch die Arbeit ging nur mühsam voran und so brachte sich Mac selber das Musikschreiben bei. Im Hinterhof seines Elternhauses errichtete er den Cape Town Composers' Workshop, wo er heute seine Ideen umsetzt und gleichzeitig jungen Musikern aus dem Township eine Plattform bietet.

2009 konnte Mac seine Symphonie vom Cape Town Philharmonic Orchestra zur Probe spielen lassen. Es zeigte sich, dass selbst die 30 Minuten Musik, die in dreijähriger Arbeit entstanden waren, noch weiterentwickelt werden mussten. Kurzentschlossen schrieb McKenzie während eines dreimonatigen Aufenthalts in Basel im selben Jahr 19 kammermusikalische Kompositionen auf der Basis seiner Symphonie, die sich mit weniger Aufwand zur Aufführung bringen und sich auch für Jazzmusiker adaptieren liessen. Einen ersten Eindruck davon gab es in Basels Cargo Bar zu hören.

2010 hiess es dann endlich – Mac McKenzie is back! Am 28. August war es soweit und die Goema Symphony No. 1 wurde in Kapstadt vor einem begeisterten Publikum aufgeführt.

Biography

Veit Arlt ist Koordinator des Zentrums für Afrika Studien Basel. Er hat im Mai 2005 mit einer Dissertation zur Geschichte Ghanas promoviert und hat sich intensiv mit dem südafrikanischen Jazz und seiner Geschichte auseinandergesetzt. Unter dem Label African Music Productions organisiert Veit Arlt in loser Folge Anlässe mit populärer Musik und Jazz aus Afrika jeweils mit Bezug zum Zentrum für Afrikastudien. Follow him on LinkedIn and Youtube.

Published on October 04, 2010

Last updated on May 01, 2024

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