Dubioza Kolektiv

Protest im Kollektiv

Blog Post
by Lucia Vasella

Mit ihrem Mix aus Hip-Hop, Dub, Reggae, Punk, Balkan-Rhythmen und -Melodien und politischen mal bosnisch, mal englischen Texten sorgen Dubioza Kolektiv für Stimmung auf Europas Live-Bühnen. Ende März 2012 trat die Band in Bern auf. Ein Gespräch mit dem Veranstalter Mario Perić und dem Dubioza-Bassisten Vedran Mujagić.


Podcast

Am 31. März war die Band zu Gast im Bern Tscharni. Nach dem Konzert erzählt der Bassist Vedran Mujagić über den Touralltag, politischen Ausdruckswillen und den unterschiedlichen Adressaten der Dubioza-«Balkan»-Musik.

Es gibt Balkan-Musik und Musik aus dem Balkan. Das Eine hat oft mit dem Anderen wenig zu tun, denn ein Grossteil der balkanischen Sounds, die unsere Bühnen und Tanzflächen beschallen, sind auf der Halbinsel zwischen Adria und Schwarzem Meer gänzlich unbekannt. Umso empfehlenswerter ist darum ein musikalischer Leckerbissen, der in Kürze in Bern und Zürich live zu erleben ist: Dubioza Kolektiv aus Bosnien-Herzegowina. Die in ganz Südosteuropa populäre Band fusioniert Hip-Hop, Dub, Reggae, Punk und Balkan-Rhythmen und -Melodien. Mario Perić hat Dubioza Kolektiv in die Schweiz eingeladen. Er betreibt den Underground-Balkan-Club Kultur Shock in Bern, wo auch die seit etwa fünf Jahren gehypten Balkan Beats live und von Platte erklingen. Perić legt beim Booking darauf Wert, dass sich die Musik nicht zu sehr von dem wegbewegt, was auf dem Balkan auch tatsächlich gehört wird.


Interview

mit Mario Perić im Kultur Shock am 3.3.2012 mit Musik vom Šuma Čovjek Orkestar


Switching Protest

Gerade bei Dubioza Kolektiv spürt man einen Unterschied: Die Band bedient sich zwar ebenso wie Shantel und Co den gerade so populären Rhythmen und Melodien der Balkan Beats. Doch geht es dem Kollektiv nicht nur darum die Menschen auf die Tanzfläche zu bringen, sondern auch auf die Strasse. Das Kollektiv hat was zu sagen und dank ihrer Musik hört man zu: mit ihren Texten benennen sie gesellschaftliche Missstände und stellen die dafür Verantwortlichen an den Pranger. Ihre Lieder sind teils auf Bosnisch, teils auf Englisch – und zwar mit System: Singt die Band bosnisch, will sie die Menschen vor Ort aufrütteln. Sie zeigt mit dem Finger auf korrupte Politiker, illegale Firmen und auf den nach wie vor präsenten Nationalismus, den die sieben Musiker als Jugendliche im Krieg hautnah miterlebt haben.

Singt die Band englisch, richtet sie sich an ein westeuropäisches Publikum – im Mittelpunkt steht der Aussenblick auf den Balkan und die Migrationspolitik. «I’m from Bosnia take me to America, I really want to see Statue of Liberty, I can no longer wait, take me to United States, take me to Golden Gate, I will assimilate» singt der Sänger Almir Hasanbegović beispielsweise mit dickem osteuropäischen Akzent im Song «U.S.A.». Davon, dass Bosnien nur beim Eurovision Song Contest zu Europa zählen darf, handelt der «Euro Song»: «I’m sick of being European, just on Euro Song». Beide Songs sind auf dem aktuellen Album «Wild Wild East» zu finden, welches die Band – nach eigenen Angaben - eigens für den Export geschrieben hat.

Soundtrack der Jugendbewegung

Mit den Veröffentlichungen der letzten beiden bosnischen Alben Firma Illegal und 5 do 12 (Gratis Download) hat das Dubioza Kolektiv bewiesen, dass sie auch leben was sie predigen. Bei der unabhängigen Jugendbewegung «Dosta» (Genug), um die es leider in letzter Zeit ziemlich still geworden ist, war das Kollektiv ganz vorne dabei. Es schrieb gemeinsam mit dem Rapper Frenkie die Hymne zu den Protesten und organisierte ein großes Konzert vor den Wahlen 2006. Die Neuerscheinung des Albums Firma Illegalpräsentierten sie vor dem bosnischen Parlament – als Zeichen gegen die korrupte Regierung. Vor den Wahlen im Herbst 2010 gab die Band in allen bosnischen Großstädten Konzerte, um so die junge Bevölkerung an die Urnen zu bringen.

Dubioza Kolektiv

Zu politischen Botschaften und Protestbewegungen eignet sich die Musik von Dubioza bestens: Balkanrhythmen lassen aufspringen und rütteln an den Hüften, Punk und Rap wecken die nötige Wut, der aber von Reggae-Gitarren und melodiösen Gesänge sofort wieder gedämpft wird. Am Ende lässt der mitreissende Mix ein positives Gefühl zurück. Die Band nimmt ihre Musik ernst. Und was rundherum passiert auch.

Dubioza Kolektiv sind:
Almir Hasanbegović (vocals)
Adis Zvekić (vocals)
Brano Jakubović (Electronics)
Vedran Mujagić (Bass)
Armin Bušatlić (Guitar)
Mario Ševarac (Saxophone)
Senad Šuta (drums)

Biography

Lucia Vasella, 1979, lebt in Bern und arbeitet nebenberuflich als freischaffende Journalistin und Radio-Feature-Autorin und ist Mit-Gründerin des sonOhr Hörfestivals. Seit ihrem halbjährigen Aufenthalt 2011 in Sarajevo berichtet sie regelmässig aus dem Balkan, u.a. auf ihrem Blog. Follow her on LinkedIn.

Published on April 19, 2012

Last updated on May 01, 2024

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