Omar Souleyman.

Björk vs Souleyman

Mitte Februar ging die Meldung raus: Björk hat ein neues Projekt am Start – mit Omar Souleyman, dem Dabké-Sänger aus der nordöstlichen syrischen Provinz Hasake. Noch in diesem Jahr soll das Album erscheinen.

Klingt exotisch, könnte interessant werden und passt gut zum momentanen Ethnopop-Trend. Wer aber ist dieser Musiker, den auch die Band Rainbow Arabia als Inspirationsquelle nennt? Wie wurde diese merkwürdige Gestalt mit Beduinentuch und Sonnenbrille unter eingeschworenen Fans im Westen zur Kultfigur? Selina Nowak hat mit dem Mann gesprochen, der Omar Souleyman für den Westen entdeckt hat: Mark Gergis, Omar’s Tourmanager, Musiker und Mitbegründer des US-Labels Sublime Frequencies.

Mark Gergis.

Seit Ende der 1990er Jahre reist Gergis durch den Nahen Osten und Südostasien – zunächst aus reiner Neugier, später um dort lang ignorierte musikalische Schätze zu heben und sammeln. «Das hat mich umgehauen – diese tolle Musik! Warum hatte ich die noch nicht gehört? Warum wurde sie bei uns ignoriert? Kunst- und Volksmusik wird bei uns im Westen beworben. Für den Folk-Pop der Strasse gibt es hingegen keine Öffentlichkeit.»

Sechs Jahre nach seiner ersten Reise traf er auf Alan Bishop und gründete mit ihm Sublime Frequencies: «Wir sassen mit ein paar gemeinsamen Freunden und seinem Bruder Richard zusammen, redeten über unsere Reisen und die Musik, die wir dort gesammelt hatten. Alle hatten wir dasselbe Gefühl: Warum zur Hölle ist diese Musik bei uns nicht erhältlich!? Lasst uns ein Label gründen, um diese Musik den Leuten zu teilen.»

Die ersten Compilation-CDs und -LPs erschienen, mit Folk, Pop und Disco aus Indonesien, Burma und Kambodscha, sowie Sounds aus Nordafrika und dem Nahen Osten. Mit dabei: Musik von Omar Souleyman, dessen Musikkassetten Mark Gergis in Syrien entdeckt und zusammengekauft hatte. Es folgte bald eine Touranfrage.

«Alan und ich waren gerade in Indonesien, als die E-Mail reinkam. Die Produktionsfirma Qu Junktions aus Bristol fragte an: ‹Was haltet ihr davon, die Group Doueh aus der Westsahara und Omar Souleyman zusammen auf Europatour zu schicken?› Wir sassen in diesem Internetcafe in Jakarta und lachten uns zu Tode. Das sei unmöglich, völlig verrückt, wie sollten wir so was denn jemals bewerkstelligen? Das schrieben wir zurück. Sie aber antworteten ‹wir könnten eine Subvention kriegen, wir sollten einfach in ein bis zwei Sätzen schreiben, warum wir diese Idee wichtig und gut fänden›. Gesagt getan und zwei Tage später hatten wir die Förderung vom British Council in der Hand. ‹Oh Gott›, dachten wir, ‹das ist verrückt. Aber wir werden das durchziehen.›»

Die gemeinsame Tour mit Group Doueh fand 2009 statt. 2010 folgte dann eine Omar Souleyman Solo-Tournee.

«Eine Menge Leute fragen jetzt nach ihm. Es war verrückt, eine Art Eskalation seiner Popularität. Im Gegensatz zu kubanischer oder Balkan-Musik, hatte Dabké-Musik bislang nie ein grosses westliches Publikum erreicht. Normalerweise kommt ein Dabké-Sänger anders nach Europa – er spielt als Sänger auf einer Hochzeit von Emigranten. Sie engagieren ihn, fliegen ihn ein, zahlen 5000$ und das wars. Es gibt nur eine Show, auf der dann nur Araber sind – und wir Westler erfahren nichts davon. Vielleicht sieht man zuvor ein Poster hängen, in irgendeinem Kebab-Shop auf dem Weg zum Klo und fragt sich ‹Was zum Teufel ist denn das?›, man erfährt aber nichts genaueres darüber. Das passiert die ganze Zeit. Vielleicht gibt es nicht mal ein Plakat, aber grossartige Musik ist immer direkt vor unserer Nase, egal ob wir davon wissen oder nicht.

Wer sind nun die Leute, die zu einem Omar Souleyman Konzert gehen?

«Das Publikum setzt sich aus der grössten demographischen Bandbreite zusammen, die ich jemals bei einem Konzert gesehen habe. Von Kindern zu Senioren, von Punks zu ehemaligen Ravern, von Techno-Freaks zu Indies, Rockern, Jazzern, Weltmusikfans der alten Schule bis hin zur heutigen neuen internationalen Hörerschaft. Es ist verrückt. Ich glaube, in Omar’s Musik gibt es das gewisse Authentische, aber auch das Exotische, Kultige. Die Leute kommen, weil sie sein Bild gesehen, eine gute Kritik gelesen oder weil sie gehört haben, das sei die neue Weltmusik - oder gar syrischer Techno. Andere sind einfach interessiert an arabischer Kultur. Sogar wenn Leute mit der aller ignorantesten Einstellung kommen, wie ‹diesen komischen abgefuckten arabischen Typen schau ich mir mal an, das wird sicher lustig› - am Ende der Show lieben sie die Musik und denken vielleicht zum ersten Mal über Syrien nach.»

Araber kommen paradoxerweise relativ wenige zu den Omar Souleyman Konzerten. Es wird keine explizite Werbung bei den arabischen und kurdischen Communities betrieben. Oder liegen die Gründe gar tiefer?

«Omar ist eine Legende in seiner Region, und man kennt ihn im ganzen Land. In Damaskus hingegen ist er von den Bushaltestellen und Kassettenkiosken fast völlig verschwunden. Eine Menge Leute in Syrien hassen ihn geradezu. Die Idee, Dabké Musik dieser Sorte zu exportieren, taugt ihnen gar nicht. Freunde und Bekannte in Damaskus haben mich deswegen tatsächlich angriffen - von wegen ‹das sollte man nicht exportieren, das ist nicht syrische Musik, das ist Scheisse.› Wir behaupten aber gar nicht, das Omars Musik die Musik Syriens sei, ja nicht einmal der Dabké-Sound. Denn fährt man in den Süden des Landes, hat man schon wieder einen völlig anders klingenden Dabké. Es ist bloss eine Musik aus Syrien.»

Wie anscheinend manche Syrer nur ein bestimmtes kulturelles Image von sich nach aussen tragen wollen, so haben auch viele Menschen in der westlichen Welt ein einziges vorgefertigtes Bild von dem Staat, der bis vor kurzem noch zu einer Achse des Bösen gezählt wurde. So hat der Erfolg Omar Souleyman’s im Westen wohl auch eine gewisse politische Dimension. Aber Mark Gergis relativiert.

«Die ganze Sache ist natürlich an sich schon politisch - mit Musik aus der Region aus der Omar kommt auf Tour zu gehen und vor einem westlichen Publikum zu spielen. Für mich war es immer eine Art ‹Fuck You› gegenüber der Art und Weise wie Syrien dargestellt wird. Wir sagen das aber nie auf unserem Label oder in dessen Bewerbung. Wir lassen das von selber laufen, so funktioniert’s am besten. Aber es gab ein paar Journalisten, die politische Spielchen mit Omar betrieben, indem sie seine Meinung über dieses und jenes herauszufinden versuchten. Wir mussten das abbrechen. Heute bin ich immer dabei, um diese Interviews zu beaufsichtigen. Die Leute verstehen einfach nicht, was es bedeutet aus Syrien zu sein, leicht könnte etwas aus dem Zusammenhang gerissen und manipuliert werden. Das versuche ich zu verhindern.»

Ähnlich protektionistisch seinem Schützling gegenüber war Gergis wenn es um musikalische Kollaborationen ging, denn nicht nur Journalisten und Konzertveranstalter interessierten sich plötzlich für Omar Souleyman.

«Ne Menge Leute wollen mit Omar zusammenarbeiten, und das ist auch schön und gut. Nicht immer geht es dabei aber um Fusion oder Integration - manche Menschen sind richtig aufdringlich. Einmal hatten wir ne Show mit Group Doueh. Da stellte plötzlich jemand seine Kongas auf die Bühne und meinte ‹Yeah, heut Abend werd ich mit ihnen jammen›. Als ich ihn bat, die Trommeln wieder runterzunehmen, begann er, mit mir zu streiten, ‹warum versuchst du einen Jam zu verhindern?› Ich antwortete: ‹Wir haben hart daran gearbeitet, ein echtes Stück Sahara hierher nach Europa zu bringen. Das versuchst du gerade zu verhindern.› Schaun wir uns doch mal das Unverfälschte an. Das bekommt man üblicherweise nicht serviert. Meist bekommt man etwas für den europäischen Geschmack Verwässertes. Das passiert ja auch mit dem Essen. Wenn man in ein indisches Restaurant in Europa oder den USA geht, bekommt man europäisiertes indisches Essen. Der Grund dafür ist, dass die Leute mit den intensiven Gewürzen nicht zurechtkommen. Die Leute wollen also indisches Essen probieren, können es aber nicht verkraften. Es ist dasselbe mit der Musik.»

Das war der Stand der Dinge im September letzten Jahres, kurz nach der zweiten erfolgreichen Omar Souleyman Europa-Tour. Nun hat es doch eine Künstlerin geschafft, den Sublime-Frequencies-Purismus zu durchbrechen. Aber könnte man Björk etwas abschlagen?

Biography

Selina Rosa Nowak ist Journalistin und Künstlerin in Wien. Studiert hat sie Arabistik. Ihr Herzblut steckt sie in ihre Radiosendung Frau Nowaks Transorientalischer Musikexpress, in der sie internationale Subkulturen und lokale Phänomene erkundet. Auf ihren Reisen an alle möglichen und unmöglichen Orte dieser Welt sammelt sie Geschichten und Musik und malt ihr eigenes Paralleluniversum.

Published on March 25, 2011

Last updated on September 30, 2019

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