Konono No. 1

Musik aus dem Ersatzteillager

Portrait
by Ane Hebeisen

Björk, Thom Yorke oder Herbie Hancock sind flammende Verehrer der afrikanischen Gruppe Konono No. 1, die ihre Berühmtheit einer technischen Unzulänglichkeit in ihrem Instrumentenpark verdankt.

Es muss den Damen und Herren von Konono No. 1 etwas eigenartig vorgekommen sein, als nach einem lau verlaufenen Auftritt vor einer Freiluftbar in Kinshasa auf einmal dieser belgische Musikproduzent auftauchte und aufgeregt davon erzählte, wie er ihre Musik verehre, seit er sie im Jahr 1980 zum ersten Mal im Radio gehört habe.

Und als der Mann von Punk und von Aphex Twin zu erzählen begann, die er aus ihrer Musik heraushören könne, erklärten sie ihn vermutlich vollends für übergeschnappt. Sie kannten weder Punk noch Rock ’n’ Roll, die einzige Musik, die sie je gehört hatten, war die ihrer Vorfahren, und diese wollten sie gefälligst weiter pflegen. Doch der sonderbare Belgier hatte anderes mit ihnen vor. Sein Name ist Vincent Kenis, er war Bassist in völlig zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Avantgarde-Rockbands wie Aksak-Maboul oder Honeymoon Killers, und er ist Mitbesitzer und Talent-Scout des progressiven World-Music-Labels Crammed Discs. Warum er sich ausgerechnet für ihre Gruppe dermassen entflammte, die selbst in ihrer Heimat Kongo nur wenig Beachtung erfuhr und die auf ihrem Werbeschild als «Orchestre Folklorique» angepriesen wurde, blieb für die Musiker schleierhaft. Doch sie sträubten sich nicht dagegen, als Vincent Kenis mit einem Macintosh-Computer und einem Mikrofon erste Aufnahmen machte und später zwei Alben unter dem Sub-Label Congotronics veröffentlichte.

Lieblinge der Subkultur

Heute, elf Jahre nach der Entdeckung durch Vincent Kenis, sind von diesem Virus namens Konono No. 1 noch etliche andere angesteckt. Björk hat die Band ins Studio und auf Tournee geladen, Herbie Hancock hat dank der Partizipation mit Konono No. 1 einen Grammy in der Kategorie «Best Pop Collaboration with Vocals» eingeheimst, und Musiker wie Thom Yorke von Radiohead, Beck, Matthew Herbert oder die postrockenden Tortoise sind flammende Verehrer der afrikanischen Band.

Auf dem Album «Tradi-Mods vs. Rockers» haben kürzlich Indie-Günstlinge wie Animal Collective oder Deerhoof Stücke von Konono No. 1 und den ähnlich gesinnten Kasai Allstars neu bearbeitet und die archaische Folklore der Afrikaner endgültig mit der aktuellen Musik der Ersten Welt verdrahtet.

Innovation aus der Not

Eine wachsende Berühmtheit, welche die Gruppe Konono No.1 unter anderem einer technischen Unzulänglichkeit in ihrem Instrumentenpark verdankt.

Das Kollektiv aus dem Grenzgebiet zwischen Kongo und Angola wurde bereits in den Sechzigerjahren von einem Herrn namens Mawangu Mingiedi gegründet, einem Meister auf der Likembé, besser bekannt unter dem Begriff Daumenpiano. Ein Instrument in der Grösse einer Mausefalle, das aus verschieden langen Metallstiften und einem kleinen Resonanzkörper besteht. Da die Virtuosität Mingiedis immer wieder in den perkussiven Ausgelassenheiten seiner temperamentvollen Mitmusiker unterging, forschte er nach Möglichkeiten, sein Instrument angemessen zu verstärken. Aus Auto-Ersatzteilen bastelte er sich rudimentäre Tonabnehmer, deren Signale er über alte Gitarrenverstärker auf sogenannte «lance-voix» leitete, eine megafonartige Vorstufe des Lautsprechers.

Das Ergebnis enttäuschte Mawangu Mingiedi. Seine Daumenpianos klangen jetzt immerhin laut genug, um einen ganzen afrikanischen Stadtteil zu beschallen, aber die minderwertige Elektronik verfälschte ihren Klang doch empfindlich. Irgendwann muss er sich mit diesem Makel abgefunden haben, das übersteuerte Daumenpiano wurde zum Markenzeichen seiner Gruppe und begünstigte letztlich auch deren Vorstoss in den europäischen Musikmarkt. Denn für westliche Ohren tönen diese verfremdeten Ur-Instrumente wie Klangerzeugnisse aus dem Maschinenpark eines fashionablen Elektro-Aktivisten. Als «Aphex Twin auf Afrikanisch» wurde die Musik von Konono No. 1 denn auch bereits bezeichnet, eine Klassifikation, die ihrem Schaffen indes nur notdürftig gerecht wird.

Gegen die Pop-Langeweile

Im Verbund mit der hypnotischen, vornehmlich auf Autowrack-Teilen und Plastiktonnen erzeugten Perkussion und den repetitiven Gesängen gemahnt die Musik von Konono No. 1 an eine zwischen Archaik und Moderne irrlichternde Form der Tanzmusik, deren Wurzeln jedoch klar in der afrikanischen Folklore gründen.

Dass seine Band einst mitschuldig daran sein wird, dass afrikanische Musik wieder in Mode gerät und bis in die europäische Subkultur vordringt, das hätte sich der Daumenpianospieler Mawangu Mingiedi wohl kaum erträumt. Doch in einer immer floskelhafter werdenden Musikwelt ist die Neugier auf ungeläufige Klänge gewachsen. Die sogenannte Weltmusik gilt als eine Art Wundertüte, als Überraschungsei für eine gelangweilte westliche Musikkonsumentenschaft. Weltmusik hört, wer die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, dass da irgendwo auf dieser Erde doch noch neue originäre Ansätze zum Musizieren ersonnen oder entdeckt werden. Die wahren Trouvaillen werden immer rarer, Konono No. 1 darf als eine solche gefeiert werden.

Biography

Ane Hebeisen arbeitet als Musikjournalist beim Berner «Bund».

Published on March 31, 2011

Last updated on April 30, 2024

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