Sleepwalking Through the Mekong
Die amerikanische Gruppe Dengue Fever mit der Khmer-Sängerin Chhom Nimol begeben sich auf eine Tour durch Kambodscha. Für die Musiker aus den USA eine Odyssee in eine unbekannte Welt, für die Sängerin eine Heimkehr in ein verändertes Land. Ein Dokumentarfilm von John Pirozzi.
Der Mekong, dieser Flussriese, gibt Kambodscha seinen eigenen Takt vor. Bis heute regiert Sanftmut den Alltag dieses südostasiatischen Königreiches.
In dieses Taktgefüge will sich die kalifornische Band Dengue Fever mit einer gehörigen Portion Demut eingliedern. Diese ist auch angebracht: Die Band wagt sich im auf die schwierige Reise nach Kambodscha. Der Regisseur John Pirozzi begleitet sie und lässt Musik und Menschen in seinem Dokumentarfilm Sleepwalking Through the Mekong auf eine fröhlich verspielte Art zu Wort kommen. Die Band ist Gast, und sie bleibt Gast.
Dengue Fever ist eine skurrile und zugleich faszinierende Kombo: Sie vereint seit 2001 fünf amerikanische Musiker und die bekannte kambodschanische Sängerin, Chhom Nimol. Die Band spielt die populären Lieder Kambodschas der 60er und 70er Jahre in der Landessprache Khmer. Die Hauptstadt Phnom Penh galt zu jener Zeit als das Paris Süd-Ost-Asiens. Lokale Rockbands interpretierten die traditionellen Lieder Kambodschas neu. Die Klangsprache entsprach dem Zeitgeist der psychedelischen Rockmusik – dem Soundtrack der Hippiebewegung. Die Musik wurde mit fetzig kratzenden Gitarren aufgepeppt, und die Sängerinnen sangen dazu psychedelisch anmutende Melodien mit geschmeidigen Verzierungen. Heute würde diese Musik jedem James Bond Film gut anstehen.
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Getragen wurde die Szene von damals sehr populären Stars wie Sim Sisamouth und Ros Sereysothea. Ihre Lieder geniessen bis heute einen hohen Bekanntheitsgrad. Die Künstler selber sind hingegen verschwunden. Sie sind Kriegswirren und dem Terrorregime der Roten Khmer zum Opfer gefallen und teilen somit das gleiche grausame Schicksal, wie viele ihrer Landsleute. Hören Kambodschaner heute diese Musik aus den 60er und 70er Jahren, so denken sie nostalgisch und melancholisch zurück – in eine Zeit vor dieser traumatischen Periode.
Dengue Fever spielt diese alte Musik im Film auf improvisierten Bühnen und im Fernsehstudio und kommt dabei mit vielen Einheimischen in Kontakt. Denen stehen Stolz und Freude sichtlich ins Gesicht geschrieben: Ausländer, die die eigenen Lieder singen! Das wird als Kompliment aufgenommen. Das wirkt wie Balsam auf die Seelen. Während der Zeit der Roten Khmer ging ein grosser Teil des kulturellen Erbes verloren. Die Lieder sind geblieben – und dass sie jetzt von einer amerikanischen Band auf einer Bühne gespielt werden, ist doch wunderbar – aber auch sehr eigenartig.
Einen stark symbolischen Charakter erhält der Besuch von Dengue Fever in einer kleinen Musikschule. Mit Kindern übt die Band Lieder ein. Die anfängliche Scheue verfliegt bereits nach den ersten Akkorden. Die alten Melodien sind schnell erkannt und werden im Chor von den Kindern begleitet.
Das musikalische Erbe Kambodschas bliebe wohl auch ohne Dengue Fever erhalten. Und doch leistet die Band einen wichtigen Beitrag: sie spielt die Lieder in einer neuen und frischen Art, und sie verschafft ihnen eine internationale Hörerschaft. Die Musiker bringen Moderne und Tradition zielstrebig aber unverkrampft zusammen. Und sie machen beim Khmer-Rock noch nicht halt. Eine bezaubernde Filmaufnahme zeigt sie mit einem der wenigen noch lebenden alten Meister, dem Chapei-Musiker Kong Nay. Dieser charismatische Mann schafft mit seinem Gitarren ähnlichen Instrument und seiner holprig explosiven Stimme höchste Liedermacher-Kunst: die Poesie seiner Texte machen ihn zu einem grossen Barden der traditionellen sowie zeitgenössischen Kultur der Khmer.
Für diese Musik liessen sich wohl viele Musikliebhaber weltweit erwärmen. Bleibt zu hoffen, dass der fruchtbare Kulturaustausch weitergeführt wird. Insbesondere auch, dass die Initiative dazu auch von kambodschanischen Musikern selbst kommt.
Ausschnitte aus dem Film
Biography
Published on October 24, 2010
Last updated on April 30, 2024
Topics
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