Die Clubszene Indiens
Indiens Clubszene ist längst eine neue Generation junger Aktivisten und Promotoren angetreten. Die dort aktiven Veranstalter und DJs wissen, dass sie Aufbauarbeit leisten. Noch ist die Szene klein und überschaubar. Aber die Demografie des Subkontinents spricht für eine riesige Expansion in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.
Die Berliner Clubcommission und das Goethe Institut Neu Dehli haben 2010 einige Aktivisten aus indischen Metropolen zur Popkomm eingeladen. Darunter auch das Duo B.L.O.T alias DJ Gaurav Malakar und VJ Avinash Kumar aus Neu Dehli. «Unser grösstes Problem ist es, dass die indischen Clubs schon um halb eins nachts wieder zumachen müssen», so Gaurav. Trotzdem gebe eine Dehli, Bombay, Bangalore und Poona eine funktionierende Clubszene. «Wir sind alle Vollzeit-Musiker, und verdienen unser Geld damit», so die beiden Promotoren. Und ihr Kollege Sohail Arora von der Booking-Agentur Krunk ergänzt: «In den letzten drei Jahren hat sich unglaublich viel getan.»
Die indische Musikjournalistin Priyanka Blah arbeitet ebenfalls für die vor zwei Jahren gegründete Agentur. Sie ist aber auch Sängerin des Elektro-Duos Tempo Tantrick aus Bangalore. «Es gibt nur vier Live-Bands, die etwas ähnliches wie wir machen», erklärt Priyanka. «Es mag überraschend sein für deutsche Ohren, dass wir überhaupt elektronische Bands haben. Es gibt in Indien aber auch tolle Venues und Fans!»
Sie selbst sei von westlicher Musik geprägt worden, von Bands wie Daft Punk und den Chemical Brothers. Ihr Projekt sei demnach auch auf der Suche nach einem «globalen» Sound für eine zwar kleinere, aber durchaus moderne Zielgruppe in Indien – jenseits des Bollywood-Sounds. Vom indischen Staat gebe es bislang keinerlei Unterstützung, bemängelt Priyanka. «Das Geld wandert komplett in die Filmindustrie.»
Auch Ma Faiza ist nicht zufrieden mit der aktuellen Situation für Diskjockeys in Indien. Aber sie kennt vergleichbare Dinge auch aus Ibiza. Und freut sich eher über die Aufbauarbeit, die derzeit in Indien geleistet wird. «Die nächsten zehn Jahre werden sehr interessant!» Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sei unter 30 Jahre alt, die finanzstarke Mittelklasse werde grösser. «Da steckt also auch Geld drin, um die Szene grösser zu machen!»
Ein Aushängeschild in der Clubszene ist das «Bluefrog» in Mumbay. Nicht nur als Live-Club die erste Adresse Indiens, sondern auch bekannt für seine integrierten Aufnahmestudios. Die österreichische Vokal-Gruppe Bauchklang hat dort eine DVD produziert und der Schweizer Pianist Leo Tardin vom Projekt Grand Pianoramax hat für seine aktuelle CD «Smooth Dancer» den Tabla-Spieler Karsh Kale aufgenommen. Auf diesem Weg sind lokale Acts wie Vivek Rajagopalan oder die Sängerin Shilpa Rao jetzt einem weltweiten Publikum bekannt gemacht worden.
Geht es um postkoloniale Musik, findet man in den Archiven des indischen Radios zum Beispiel die Konkani-Klänge. Im Bundesstaat Goa wurden jahrelang Schnulzen aufgenommen, von denen die Frankfurter Tontechnikerin Sigrid Pfeffer «vollkommen fasziniert» war: «Es klang so gar nicht ‹indisch›, sondern erinnerte mich eher an Musik aus Jamaica oder Lateinamerika.» Sie recherchierte die Geschichte der Musik und stellte für das Münchner Label Trikont eine CD zusammen: «Konkani – Music from Goa». Diese Klänge – eine wilde Mischung aus Mariachi und kubanischem Son, europäischem Schlager und goanischer Folktradition - sind in den 60er- und 70er-Jahren entstanden. Diese Tradition geht bis auf die Christianisierung durch die portugiesischen Kolonialherren zurück – auch ein Stück indischer Musikgeschichte, die es zu entdecken gilt.
Published on October 24, 2011
Last updated on April 30, 2024
Topic
Why do people in Karachi yell rather than talk and how does the sound of Dakar or Luanda affect music production?