Die Band Skip & Die lässt Elektro mit Volksmusik aus aller Welt kollidieren – und will damit die Apokalypse verhindern. Kann das mehr als nur gut gemeint sein?
Meistens reicht ein Armband oder ein Notizbüchlein, um sich angenehm an eine Reise zurückzuerinnern. Bei der Band Skip & Die ist es gleich eine ganze CD. Die Mitbringsel sind zwölf Lieder, die auf einer wilden Reise durch Südafrika entstanden sind. Zwischen den Schlupfwinkeln der Townships und im Gewusel des hippen Volks in den Strassen Kapstadts haben der holländische Produzent Jori Collignon und die Künstlerin Cata Pirata gewühlt – und zusammengetragen, was ihnen zu Ohr und Auge gekommen ist. Zwar ist das musikalische Paar alleine losgezogen, aber auf dem Weg haben sie allerhand Musiker auf ihren fahrenden Schnellzug aufspringen lassen. Nun präsentieren sie mit einer festen Band von drei weiteren Musikern dem Rest der Welt, was es sich in der Ferne erleben lässt.
Das Ergebnis klingt wie ein wuchtiges Guerilla-Elektro-Manifest: Das Werk «Riots in the Jungle» ist eine Kampfansage an den Kapitalismus, an die Missstände, die daraus resultieren, und ist nicht zuletzt eine Ode an die Pop-Ästhetik des Jetzt. Und die Band kriegt es hin, dass ein grosser Teil der Menschheit versteht, wovon die Rede ist. Cata Pirata, die als Catarina Aimée Dahms geboren wurde, singt auf Englisch, Portugiesisch und Spanisch. Auch zu hören sind Afrikaans, Xhosa, Zulu – meist in Chören, manchmal sind es die Stimmen von Kindern, die wild durcheinanderplappern.
Amazone versus Bullshit
Cata Pirata, die wie eine Mischung aus Peaches und der jungen Gwen Stefani anmutet, ist die Anführerin ihrer grellen Kampftruppe. Die in Johannesburg geborene Amazone fährt selbstbewusst in Leoparden-Print-Leggings und knalligem Lippenstift auf. Auf der rechten Schädelseite hat sie ihr Haar abrasiert – im Fachjargon Sidecut genannt. Diese Frau läuft Gefahr, dass man sie nicht ernst nimmt und in die Fashionista-Barbiepuppen-Ecke schiebt, wenn sie nur nicht so furchteinflössend und graziös schön wäre.
Hinter Cata Piratas zartem Gesicht und diesem flachen Bauch steckt viel mehr, als die feingliedrige Gestalt vermuten lassen dürfte: Als Tochter eines gesellschaftskritischen Filmemacher-Paares studierte sie erst Jura in Amsterdam, machte dann aber ihren Master in Visual Performance & Time Based Arts. Sie war Chefredaktorin des niederländischen Szene-Magazins «Spunk» und ist Mitgründerin einer wandelnden Galerie namens Satellite Spaces. Die Cata Pirata schmückt sich nicht nur mit mehrfarbigem und abenteuerlich drapiertem Haar, aufwendigen Kleiderkreationen und einem properen Curriculum Vitae, sondern auch mit Aussagen wie: «Schau dir die Welt doch mal an! Für mich wäre es die reinste Zeitverschwendung, Musik ohne politischen Inhalt zu machen.» Seichte Poplieder zu schreiben, wäre für die selbst ernannte Sozialaktivistin schlichtweg «Bullshit». Dann gibt sie Manu Chao, die ebenfalls sowohl politisch wie auch mehrsprachig musizieren, als eine ihrer grossen Inspirationen an.
Neonbunte Provokation
Skip & Die bieten durchaus die ein oder andere Reizung. Ein Song zum Beispiel heisst «Love Jihad». Cata Piratas Rolle im Lied ist die des bösen Mädchens, das die Herzen der Jungs als Waffe einsetzt. Am Ende reicht sie ihnen ein Taschentuch, damit sie sich ihre Tränen wegwischen können. Aus Mitleid etwa? Cata Pirata würde ihre «Hurrikan-Locken» schütteln: Das Lied ist eine Kriegserklärung an die Männer, die in Indien Mädchen mit ihrer vorgeheuchelten Liebe ködern, damit diese zum Islam konvertieren. Diese verwerfliche Praktik wird «Love Jihad» genannt, und wer sie praktiziert, ist ein «Jihad Romeo». Die Sängerin verwebt diesen Jihad Romeo gezielt in den Text, denn er reimt sich auf «What’s your motive? Get’em? Got’em? Go!»
Dann weiter: Im Video zu «Jungle Riot» – bitte mit Dreifach-R und besonders aggressiver Betonung ausgesprochen – posiert eine indische Schönheit, liegend und teuflisch unschuldig dreinblickend. Sie lehnt sich an eine nicht minder attraktive Person. Es ist eine Szene, wie einer Hochglanz-Modestrecke entsprungen. Dann schwenkt die Kamera über den Schritt, die unrasierten Beine: Die Schöne entpuppt sich als der Schöne. Derweil dampfwalzt der breitspurige Bass über Sprüche wie «Burn down the enemy!» Unschuldig maunzt die Sitar, während die Glöckchen am Fussknöchel-Schmuck den Takt angeben.
Drolliger gestaltet sich das im brasilianischen Baile-Funk-Beat gehaltene Lied «Macacos sujos». Aus dem Portugiesischen übersetzt heisst das: dreckige Affen. Das Lied ist die perfekte Plattform für die Tropen-Bella Cata. Sie nutzt diese wuchtigen Beats, um davon zu rappen, wie sie sich holt, was ihr gefällt und mit wem sie dies alles zu tun gedenkt. Sicher aber nicht mit den dreckigen Affen. Die haben ohnehin nichts zu melden. «Macacos sujos» ist zugleich der Song, für den alleine es sich lohnt, an ein Konzert von Skip & Die zu gehen. Das dürfte auch eine Ahnung davon geben, wie sich die Musik aus den Favelas in Rio de Janeiro in Echtzeit anfühlt.
Im Lied «La cumbia dictadura» bedient sich die Band an der kolumbianischen Cumbia-Struktur und mischt einen gemächlich-rollenden Balkan-Beat darunter. Wenn üblicherweise die Texte davon handeln, wie die Herren um die Damen werben, rütteln Skip & Die in diesem schon fast süsslich anmutenden Song am eisernen Gerüst der Diktatur: «Abajo la dictadura!», also: Nieder mit der Diktatur!
Echt jetzt?
Was wollen uns Skip & Die nun weismachen? Dass alles irgendwie geht? Modischer Auftritt und gezielter Ritt gegen das Böse auf Planet Erde? Sätze wie «Ich habe nichts gegen eine blutige Nase, aber ich habe etwas dagegen, wenn meine Kinder in deiner Welt gross werden sollen» klingen in dieser Trendmagazin-Darstellung nicht wirklich glaubwürdig. Aber nichtsdestotrotz: Gesellschaftskritik hat viele Gewänder. Skip & Die tragen die ihren in milchigen Neonfarben.
Veröffentlicht haben Skip & Die ihre CD auf Crammed Discs, einem Label, das in Brüssel sitzt und von dort aus die ganze Welt nach neuen Musikkreationen durchforstet. Es wird die richtige Wahl gewesen sein, denn eine Band wie Skip & Die braucht einen Musikvertrieb, der Überraschungen und Abenteuer schätzt. Das Publikum hingegen darf etwas bescheidener sein: Es soll die Turnschuhe überstreifen und sich während der Zeremonie mit einem – für einmal – gutartigen Fluch belegen lassen.