Im Zeitalter der universellen Verfügbarkeit sind einzelne Menschen obsolet geworden. Dafür jedoch, sagt das Hamburger Künstlerkollektiv Kommando Himmelfahrt, sind sie weniger einsam, oder nicht? Aus dem Norient Buch Seismographic Sounds (hier bestellbar).

«Ich denke oft darüber nach, wie sich das Leben auf der Erde in einer endlosen Folge von Zufall und Notwendigkeit entwickelt hat. Ein blutiges Würfelspiel hat die Erde geformt und formt sie noch. ‹Trial and error› ist seine einzige Regel. Milliarden sind bereits in diesem Spiel um Nahrung und Fortpflanzung gestorben; andere haben gewonnen und die Welt mit ihren schludrigen Kopien bevölkert. Vielleicht schwand Toms Interesse für unsere alte, verkeimte Erde genau aus diesem Grund. Denn der Mars ist ein anderer Planet mit anderen Spielregeln. Dort gibt es keinen Kampf um rare Güter. Dort gibt es weder Reproduktion noch Fortpflanzung. Dort gibt es nur die immer gleichen Weiten der Wüsten. Den niemals ruhenden, sandigen Wind.» (Aus dem Musiktheater Die Speisung der 5000)

Utopie der Verfügbarkeit

Der bereits von Walter Benjamin analysierte Verlust von der Aura des Originals betrifft inzwischen fast alle Lebensbereiche. Das Einzelne wie auch der Mensch selbst ist gleichgültig, zufällig, altertümlich geworden. In unserem Musiktheater Die Speisung der 5000 feiern wir die Utopie der universellen Verfügbarkeit und trauern zugleich der Einsamkeit, der Originalität nach. In letzter Konsequenz flieht der Erfinder und Heiland Tom auf den Mars, um in dieser unwirklichen Landschaft eine Platte zu produzieren, die barockfuturistische Vertonung des biblischen Vervielfältigungswunders. Wir haben Toms Musikstück mit Chor, Orchester und dem Sänger Jan Plewka jeden Abend neu aufgenommen, live gemastert und jeweils im Finale der Aufführung auf SoundCloud hochgeladen. Für diese Veröffentlichung entstand auch das Foto von Tom in der Marswüste. Der fragile Akt des Musizierens und Singens, der die Einsamkeit und Verlorenheit des Individuums beschreibt, wurde dabei zugleich zu einem Gemeinschaft stiftenden Ereignis. Die Bereitstellung im Internet müsste nach Benjamin diesem Ereignis jedoch die Aura entziehen. Wir Menschen haben uns das vormals göttliche Vervielfältigungswunder zu eigen gemacht. Ob es uns sättigen wird?