Politrap aus dem Senegal
Woche für Woche zeigt das senegalesische Privatfernsehen die satirische Nachrichtensendung Journal Rappé. Mit schnellen Wortsalven macht der Rapper Xuman tagesaktuelle News aus Politik, Religion und Sport strassenkompatibel.
«Bienvenue, installez-vous, on a des nouvelles pour vous. Y'a des bonnes, y'a des mauvaises, mais y'a des nouvelles pour vous»
So begrüsst Xuman jeden Freitag die Zuschauerinnen und Zuschauer seines Journal Rappé. Er sitzt in einem Blue-Box-Nachrichtenstudio und moderiert in der Amtssprache Französisch, anschliessend fasst sein Kollege Keyti in der Umgangssprache Wolof zusammen. Die Sendung wird zuerst vom privaten Kanal 2STV ausgestrahlt, später landet sie auf YouTube.
Eine der Episoden mit den meisten Klicks handelt von der Rückkehr des ehemaligen Regierungschefs Abdoulaye Wade aus dem Exil 2012. Als dieser nach seiner Abwahl nach Frankreich ging, wurde sein Sohn Karim Wade im Senegal wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verhaftet. Man munkelte, sein Vater sei zurückgekehrt, um ihn aus dem Knast zu holen.
Willkommensrap vorm Knast
Xuman schickte zwei Rap-porter zum Flughafen und zum Gefängnis in Dakar. Sie wiesen sich als Journalisten aus und fingen mit ihren Reimen die Geschehnisse vor Ort ein. Von den Parteianhängern wurden sie missgünstig begrüsst – denn die kannten sie noch als Sprachrohr der Politaktivisten der Protestbewegung Y'en a Marre («Es reicht!») von 2012, die sich gegen die politischen Missstände im Land richtete und wegweisend für den politischen Wandel im Senegal war. Xuman, Keyti und der Reporter Djily Bagdad lieferten damals den Soundtrack der Demonstrationen.
Xuman versteht seinen Nachrichtenrap als unabhängiges Gegengewicht zum senegalesischen Journalismus, der oft die korrupten Politiker hofiert, anstatt sie anzugreifen. Auch der Realsatire gibt er Platz: Zum Beispiel, wenn der Rhythmus unter seinen Raps wechselt und eine bekannte Melodie ertönt. Wie die vom Liebeslied «Formidable» des belgischen Popsängers Stromae. Xuman dichtet den Song um: «C'était Karim Wade, il était formidable, le fils d'Abdoulaye Wade.» «Formidable» eben, so eine millionenschwere Korruption.
Getauschte Rollen
Nur ein einziges Mal wurde Xuman kritisiert – wegen einer Nichtigkeit. Ein Muride, ein Sufi-Bruder, beschwerte sich, weil ihm ein Lauftext zu provokant formuliert war. Xuman konnte schlichten: Er versicherte, nichts Böses im Sinn gehabt zu haben.
Xuman kennt die lokalen Befindlichkeiten genau, denn er ist ein Pionier des senegalesischen Hip Hops und moderiert seit Jahren eine Hip Hop-Radiosendung. Dort wurde auch das Journal Rappé geboren: er kam auf die Idee, mit dem Nachrichtensprecher die Rollen zu tauschen. Seine gerappten News gefallen nicht nur der jungen Generation. Sogar seine Mutter lobte ihn kürzlich, nachdem sie ihn im TV gesehen hatte: Endlich mache er etwas nützliches. Während seiner Rap-Karriere hatte er ein solches Kompliment nie gehört.
Biography
Published on January 14, 2015
Last updated on May 01, 2024
Topics
Why New Yorks’ underground doesn’t give a fuck about Trump or why satirical rap in Pakistan can be life threatening.
From post-digital pop mocking the music history to Romanian folk music turning into a meme culture.
About Tunisian rappers risking their life to criticize politics and musicians affirming 21st century misery in order to push it into its dissolution.