Teach Me How to «Azonto.»

Armtanz Azonto

Ein Tanzstil ist Ghanas neuer Stolz – und vielleicht ein wenig Trost für das Ausscheiden der ghanaischen Fussballer am Afrika Cup.

Egal ob im teuren Club, oder nachts an einer Strassenecke – wer in Accra ausgeht, wird derzeit unweigerlich mit dem Azonto konfrontiert. Tänzer bewegen ihre Arme vor dem Oberkörper in alle Richtungen, und einen Fuss meist so, als ob sie eine Kakerlake zerquetschen wollten. Getanzt wird zu zügigem Hiphop oder zu ghanaischer Hiplife-Musik, mit zuckrigen Harmonien. Einige lokale Künstler, wie etwa Gasmilla, haben sich unterdessen auf die Produktion von Azonto-Tracks spezialisiert.

Ab Sommer 2011 hat sich der Azonto-Virus in Ghana zu einer Epidemie entwickelt. Zu den ursprünglichen Tanzbewegungen, die etwa Waschen oder Boxen imitierten, kamen neue dazu. Schülerinnen und Schüler stellten Handyvideos ins Internet und schauten sich gegenseitig Bewegungen ab. Ein Zusammenschnitt verschiedener Videos ist unterdessen sehr populär.

Die Ursprünge des Tanzes sind nicht ganz klar. Eine Theorie führt ihn zurück auf den Kpanlogo-Tanz, der Mitte des 20. Jahrhunderts im Gebiet der Hauptstadt Accra entstanden ist. (Der Kpanlogo-Tanz wird offenbar auch gerne von Schweizer Tanztouristen trainiert, ansehen bitte auf eigene Gefahr.)

Im Gegensatz zum Kpanlogo, welcher eher gebückt und mit heftigem Hüftschwenken getanzt wird, ist der Azonto aber meist eine reduzierte Angelegenheit. Die coole Jugend, hat man den Eindruck, bewegt den Körper nur soweit unbedingt nötig. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mit den angesagten engen Jeans keine ausschreitenden Bewegungen mehr gemacht werden können.

In der jüngeren Vergangenheit scheint Azonto sich in der Agglomeration von Accra entwickelt zu haben, wobei diverse Vororte den Tanz für sich beanspruchen. Zwar gab es schon 2010 eine Musikgruppe mit einem Song namens «Azonto», erste Hinweise auf den Tanz finden sich jedoch (im Internet) erst ab Mai 2011. In einem der ersten Azonto-Videos macht eine junge Frau auf sich aufmerksam – sie macht die typischen Box- oder Wasch-Bewegungen (ab 1:10).

Im Sommer war der Azonto bei Schul-Feiern angesagt – wie eine Zusammenstellung vom Juli von diversen High Schools zeigt.

Viele beanspruchen also die Erfindung oder Verbreitung des Azonto für sich. Sogar der Fussballer Asamoah Gyan (früher Sunderland AFC, heute in den Emiraten tätig) soll zum Hype beigetragen haben. Etwa mit seinem Torjubel bei der Fussball-WM 2010 in Südafrika. Gyans Bewegungen haben mit dem Azonto von heute aber nicht viel gemeinsam. Eher seine Auftritte in Musikvideos als «Rapper», wie im Clip zum Song «African Girls» - etwa wenn Gyan tanzend einen Autofahrer darstellt.

Azonto – das ist in Ghana ein Phänomen. Wer als Obruni (Weisser) beim Tanzen die Arme nach vorne streckt, in die Luft boxt und gegen den Boden zeigt, darf rasch mal mit begeisterten «Azonto»-Rufen rechnen. Eine angenehme Möglichkeit, sich beliebt zu machen, bis wenige Sekunden später eine Tänzerin auftaucht, die mit originelleren Bewegungen (und im Takt!) die Menge zum Kreischen bringt – nur um von einem noch extremeren Tänzer abgelöst zu werden. Kobby Graham, Herausgeber des Magazins «Dust» sieht im Azonto ein Indiz wachsenden Nationalbewusstseins. «Mit dem Azonto haben junge GhanaerInnen mehr als nur unsere Tradition wiederbelebt, sie haben eine neue ghanaische Kultur kreiert.»

Besonders im kulturellen Bereich, so Kobby Graham, habe man in Ghana zu oft die eigene Kultur als «primitiv» abgewertet. So wurde etwa im Musik-Bereich viel vom Ausland kopiert. Jetzt könnte sich der Wind drehen. Der Azonto ist auch im Westen angekommen. Musiker Sarkodie (selbsternannter Azonto-König) wurde im Dezember ins Studio von BBC Radio 1 extra eingeladen. In London werden bereits Azonto-Fitnesskurse angeboten. Und die derzeit aktuelle Azonto-Hymne kommt nicht mehr aus Ghana, sondern stammt vom britischen Musiker Fuse ODG – der als Kind einige Jahre in Ghana gelebt hat. Das Video dazu wurde in Londons Fussgängerzone gedreht.

Im stolzen Ghana ruft das hingegen sofort wieder Leute auf den Plan, die sich übervorteilt sehen. Unbenannte Experten in einer Diskussion auf Radio Adom FM haben vor kurzem gar die Regierung aufgefordert haben, Azonto zu schützen, bevor der Tanz kopiert und von einem andern Land übernommen würde. So wird’s dann vielleicht doch nichts mit einem Azonto-Sommerhit 2012 in Europa...

Biography

Der Schweizer Journalist und Historiker Samuel Burri arbeitet für Schweizer Radio DRS, Deutschlandfunk und verschiedene Printmedien. Er lebt derzeit in Accra, Ghana und berichtet aus diversen Ländern Westafrikas.

Published on February 10, 2012

Last updated on September 23, 2019

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