Coz Ov Moni («Wegen dem Geld»)

Afro-Ulysses im Doppelpack

Coz Ov Moni («Wegen dem Geld») ist das erste Pidgin-Musical der afrikanischen Filmgeschichte. Wilde Handkamerafahrten durch Seitengassen, in Hinterhöfe, Internetcafés und Strassenküchen, inklusive Strand- und Clubleben, stets abseits von Hochglanz und Retusche.

1000 Seiten benötigte James Joyce in seinem Buch Ulysses, um seinen Helden Leopold Bloom 24 Stunden lang durch Dublin zu schicken und damit nicht zuletzt auch Irlands Hauptstadt zu porträtieren. Emmanuel Owusu-Bonsu und Mensa Ansah, besser bekannt als Wanlov The Kubolor und M3nsa, verlegen ihre Odyssee von den keltischen in tropische Gefilde – und schaffen ihre Tour durch Ghanas Kapitale in 30 Minuten. Danach schwirren dem Zuschauer Augen und Ohren, denn diese rasante Achterbahnfahrt durch Accra ist so hautnah, lebensecht, hintergründig und bei alledem doch stets augenzwinkernd, dass man sich fühlt, als hätte man gerade eine äusserst konzentrierte Essenz ghanaischer (Sub-)Kultur inhaliert.

Coz Ov Moni («Wegen dem Geld») gilt als das erste Pidgin-Musical der afrikanischen Filmgeschichte. Doch diese Etikettierung trügt: Wir bekommen weniger ein Musical denn einen bildgewaltigen Videoclip zu sehen, wilde Handkamerafahrten durch Seitengassen, in Hinterhöfe, Internetcafés und Strassenküchen, inklusive Strand- und Clubleben, stets abseits von Hochglanz und Retusche. Sowohl in der Heimat als auch im Exil begeisterte es die Ghanaer, diese auf kürzeste Zeit eingedampften Abenteuer mit den beiden Protagonisten mitzuerleben, denn alle waren sich einig: So authentisch wurde ihr Land auf der Leinwand bislang niemals gezeigt.

Die beiden Hiplife-Stars Wanlov und M3nsa, die sich im Doppelpack stets FOKN Bois nennen (frei übersetzt: ungezogene Jungs), haben dabei einen ganz durchschnittlichen Tag aus ihrem Leben herausgegriffen, den sie uns in einem Affenzahn vorrappen. Dazu haben sie weder Englisch noch eines der in Accra ursprünglichen Idiome wie Twi oder Ga gewählt, sondern Pidgin, die Mischsprache der kleinen Leute. Natürlich versteht man da als hiesiger Zuschauer grösstenteils nur Bahnhof, kann sich allenfalls am Klang ergötzen, der für unsere Ohren immer ein bisschen schalkhaft tönt. Doch die Rhymes sind alle in englischer Sprache untertitelt, was es zugegebenermassen nicht gerade einfacher macht, der Flut an Wörtern zu folgen.

Den Fokn Bois gelingt es, auf ihrer Tagestour in rund einem Dutzend Anlaufstationen ein Mosaik vom Accra der kleinen Leute zu vermitteln: Wir erleben Streitigkeiten ums liebe Geld mit, werden in der Chop Bar von «Sister Good Chef» mit dem Soulfood der ghanaischen Küche vertraut gemacht, und wir gehen auf den Bolzplatz, wo die liebenswerten Kinderspiele abseits virtueller Vergnügungen vorgestellt werden. Aber auch «Sakawa», der in Westafrika aktuell so beliebte Internetbetrug wird schelmisch angedeutet, und unverblümt stehen die Regierung und die Ausbeuter aus dem Westen gleichermassen am Pranger. Fast mythisch mutet eine Vision an, in der rund 50 herausragende Leader und Persönlichkeiten afro-amerikanischen Erbes ihren Spirit auf die Fokn Bois senden. Doch als schliesslich in einem Nachtclub die Odyssee kulminiert, müssen unsere beiden Helden erkennen, dass doch nicht jeder, der ihren Weg kreuzte, wohl gesonnen war.

Musikalisch schöpft Coz Ov Moni aus dem Vollen: Beschwipste Blaskapellen aus alten Highlife-Aufnahmen geistern in Loops über den Bassdrums herum, Vokalsamples aus archaischem Blues werden in den Setzkasten aus traditionellen Rhythmen und HipHop integriert, sogar die Erkennungsmelodie eines bekannten Softwareherstellers taugt als melodischer Spielfetzen. Und dann scheint im Finale gar ein wenig indisches Kolorit auf. Man hat die Luft angehalten und möchte nach einer halben Stunde endlich mal wieder ausatmen, da warten die Fokn Bois in der Schlusskurve noch mit einem ganz besonderen Bonbon auf...

Coz Ov Moni («Wegen dem Geld»)

Biography

Stefan Franzen 1968 geboren in Offenburg/Deutschland, Studium der Musikwissenschaft und Germanistik, anschließend im Fachhandel für Weltmusik- und Jazz-Tonträger tätig, parallel dazu Konzertveranstalter. Seit Mitte der 1990er freie journalistische Tätigkeit im Bereich Weltmusik und Artverwandtes für Tageszeitungen (Badische Zeitung, taz, Frankfurter Rundschau), Musikzeitschriften (Jazz thing, Rolling Stone, uptown strut) und verschiedene öffentlich-rechtliche Rundfunk-Anstalten (WDR, SWR) sowie Internet-Radio (byte.FM, Radio Dreyeckland, multicult2.0)

Published on January 14, 2012

Last updated on August 21, 2020

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