photo: Cpl. D.A. Haynes/Wikimedia

Böse böse Welt

Einfache Wahrheiten und martialische Botschaften: Mit wenig Aufwand, aber viel Wirkung teilen die deutschen Rapper Fard und Snaga die Welt in zwei Lager auf – und übernehmen so die Rhetorik von Extremisten. Dabei rennen nicht Springerstiefel gegen Staat, Bilderberg und Tel Aviv, sondern Pop – in Form von Nike-Sneakers.

Der deutsche Rapper Fard ist in Iran geboren. Vielen Iranern läuft es bei dem Wort «Modschahedin» kalt den Rücken runter, denn die Volksmodschahedin (MKO) haben in Iran erst die Islamische Revolution unterstützt, dann einen paramilitärischen Charakter angenommen und einen blutigen Kampf gegen den neuen iranischen Staat geführt. Die Iraner haben viele Opfer bringen müssen für eine Revolution, die das Unrecht nicht beseitigte.

In der islamischen Welt ist das Wort heute mehr denn je negativ besetzt: Es war ein Modschahedin, ein islamischer Kämpfer einer Terrorgruppe, auf den sich Anfang Januar ein 15-jähriger pakistanischer Junge heldenmütig stürzte und den Sprengstoffanschlag auf seine Schule verhinderte.

Den Rappern Fard und Snaga ist das in ihrem neuen Video «Contraband» ziemlich egal. «Pro Modschahedin/ Pro Felestin», rappt Fard, «Kontra atomar/ Kontra USA» und «Kontra Vater Staat/ Kontra Bundestag». Fard spielt Ping Pong mit den politischen Schlagwörtern der 2000er Jahre: «Kontra Netanjahu/ Kontra Bush, plais a Sarkozy.» Warum? Die Frage stellen sie erst gar nicht. «Das hier ist junge Wut gegen Politik aus Tel Aviv.»

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Bei dieser Sprache spannt sich das Bewusstsein an und die kunterbunt gemischten Symbole im Video verstärken die Anspannung noch auf massive, aufdringliche Weise: Menschen in tarngrüner Kleidung, Gesichter hinter Palästinensertüchern, Commandante-Mützen, Menschen mit Panzerfäusten, Baseballschlägern und Maschinengewehren, Flammen. Eine Kulisse wie im Endzeit-Film Mad Max. Eine Tirade über eine Welt voller Bosheiten, Hinterhalte, Täuschungen und Intrigen; eine nihilistische Sichtweise auf die Gesellschaft.

«Junge Wut gegen Politik aus Tel Aviv»

Die beiden Rapper aus dem Ruhrgebiet sind in der deutschen Hip Hop-Szene keine Unbekannten. Fard ist mit seinem letzten Soloalbum auf Platz 2 der deutschen Album Charts eingestiegen. Und Snaga war mal auf dem Label des Hamburger Rappers Samy Deluxe unter Vertrag. «Contraband» ist das erste Video aus ihrem im Mai erscheinenden Album Talion 2 (Ruhrpott Records). Vielleicht alles nicht mehr als der übliche Mechanismus: Wer verkaufen will, braucht den Skandal, die Aufmerksamkeit.

Fard und Snaga arbeiten mit Schwarz und Weiss, Freund und Feind. «Kontra peace/ Kontra Tel Aviv» und «Kontra Bilderberger, Volksverräter, Hintermänner/ und ja pro Todesstrafe für Kinderschänder», rappt Snaga, «Kontra Volksverräter/ Solange kontra bis wir siegen.» Ehrlich, Kameraden – rechtsextreme Weltanschauungen liegen nicht fern.

Fard und Snaga kann man nicht in die radikale Ecke schieben. Aber wohl wird einem bei dem Lied nicht. Vielleicht soll man diesen Song einfach als Beweis abtun, dass deutscher Hip Hop im Jahr 2014 bis auf ein paar Ausnahmen nicht mehr zu bieten hat, als die Texte auf Bushidos neuem Album: «Dein Schwanz ist ein Fischstäbchen, du Käptn Iglo.»

Darf man aber nicht. Denn diese Sicht auf die Welt ist gefährlich. Die Zielgruppe, die Fard und Snaga ansprechen, verlangt nach Antworten und einer Identität, gerade weil es die vielen Übel in der Welt gibt und der soziologische und ökonomische Ausschluss so real wie der Kapitalismus ist.

Nicht Springerstiefel, sondern Pop

Die Schauspieler im Video tragen Nike-Sneakers in Trendfarben, sind bewaffnet. Extremistische Strömungen weltweit arbeiten mit ganz ähnlicher Rhetorik und Bildsprache. Nicht mehr Springerstiefel ziehen Unzufriedene, Schulabbrecher, Perspektivlose an, sondern Pop und einfache Botschaften: Gut gegen Böse, Glaube gegen Unglaube. Gegen postuliertes Unrecht. Provokation.

Plötzlich steht man in einem Kreis von Gleichgesinnten und ist nicht mehr allein im Kampf gegen das Übel. Dieser Hass, der nicht mehr mit einem identifizierbaren Motiv einhergeht. Ein Feind, der abstrakt ist. Man liefert scheinbar einfache und endgültige Antworten auf die komplexen Herausforderungen des Lebens; scheinbar, weil die Antworten ganz bewusst nicht gegeben werden. Sarkozy und Bush, die haben ganz viel Mist gebaut – und dann?

Auch radikale Islamisten bedienen sich ganz ähnlicher Mittel. Mit Erfolg. Sie motivieren junge Leute, meist aus wenig religiösen Milieus, an ihrem globalen Glaubenskampf teilzuhaben. Jeder kann mitmachen. Im syrischen Bürgerkrieg kämpfen mindestens 300 Deutsche auf Seiten der Extremisten. Viele sind sehr jung.

Zugegeben: Das ist ein extremes Beispiel. 200.000 Klicks hat das Video in nur drei Tagen auf YouTube bekommen. Die Reichweite ist enorm. Haben die Stars einer Jugendkultur nicht die Verantwortung, auf ein dermaßen ausgeprägt polarisiertes Weltbild zu verzichten? Die Welt ist komplizierter und vor allem spannender als «Bilderberger-Verschwörungen« und «Tel Aviv».

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Magazin Zenith.

Biography

Florian Bigge – Iranist, freier Journalist und Kulturschaffender. Lebt in Berlin, oder in Teheran. @tumultuoes auf Twitter

Published on May 14, 2014

Last updated on July 27, 2020

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