Zebra Katz

Gayngster Rap

Schwule im Hip-Hop – das war mal ein Tabu. Aber eine neue Generation queerer Rapper, darunter Mikky Blanco und Le1f, geht an den Start – offensiv und glamourös. Im Unterschied zu den Vorreitern des Queer-Rap sind diese Musikerinnen und Musiker viel sichtbarer.

Der Präsident ruft und alle folgen: Im Mai erklärte Barack Obama seine Unterstützung für die Homo-Ehe und die Reaktion seiner kulturellen Fürsprecher folgte prompt. Nur eine Woche später bezeichnete Rapstar Jay-Z, der seinen Rivalen Nas einst als «fag model» beschimpfte, das Verbot der Schwulenehe als «Diskriminierung, sonst nichts». Wofür die Grand Seigneurs des Hip-Hop eine präsidiale Order brauchten, hat der Nachwuchs von ganz alleine bewältigt. Indie-Rapper und YouTube-Star Lil'B nannte schon 2011 eines seiner Mixtapes «I'm gay», obwohl er in seine «Basedworld» dann doch lieber Frauen einlädt. Auch der mittlerweile millionenschwere Newcomer A Rocky will über die schwulen Homies kein schlechtes Wort verlieren. Schliessllich schneidern sie ja seine Lieblingsklamotten.

Lil B «I’m gay»

Nagellack und fette Beats

Nie waren queere, transsexuelle oder schwullesbische Rapper sichtbarer als heute. Der Brooklyner Zebra Katz wird Dank eines Deals mit Mad Decent gerade durch die einschlägigen Blogs zelebriert, sein Kollege Le1f rappt sich mit reichlich Homo-Anzüglichkeit durch sein Mixtape «Dark York» und die Harlemer Transrapperin Mykki Blanko ist mit ihrem demnächst erscheinenden Debütalbum und den langen, feingeflochtenen Braids das perfekte Coverboygirl für das, was die Musikgazetten «Queer Rap» nennen. Im Video zu «Wavvy» präsentiert sich der Drag-Perfomer als Strassenrapper, der mit blauem Nagellack ein Aphrodisiakum zum «Dickriding» kauft. Später sieht man ihn mit nacktem Oberkörper burlesk auf einem Stuhl sitzen, von dem aus er geschminkt und mit wallendem Haar seine Raps streut.

Glam-Pose auf der Strasse

Le1f bedient sich unterdessen im Video seiner Single «Wut» bei den Posen der New Yorker Tanzbälle, auf denen Ende der 1980er Jahre die Voguer per Wettstreit die glamouröseste Queen ermittelten, während er auf dem Schoss eines weissen Muskelboys mit Pokemon-Maske rappt: «This yuppie's talking blah blah, he wants to Bink my Jar-Jar». Es gerät also gehörig was durcheinander im Rap.

Spiel der Geschlechter

Nur so richtig neu ist das nicht. Hip-Hop, die angebliche «Hochburg der Homophobie« (De:Bug) wurde schon in den Nullerjahren gestürmt (wie es der Film Pick up the Mic für die USA dokumentiert). Nur haben das kaum Musikjournalisten mitbekommen. Dabei ist gerade Hip-Hop besser dafür geeignet, Geschlechterrollen als konstruiert zu entlarven als gefühlsbetonter Indie-Rock mit seinen «Boy meets Girl»-Geschichten. Egal, ob Gangster, militanter Bürgerrechtler, Sister oder Bitch – die Geschlechterstereotypen im Hip-Hop sind dermassen überzeichnet, dass sie sofort als Perfomance begriffen werden können. Das machte sich der HomoHop zunutze.

Vorläufer von heute

Der britische Rapper Q-Boy gab als smoother Boy über Old-School-Beats den Hip-Hop-Nerd, der eh nicht dazugehört und sich daher die Freiheit nimmt, mit Jungs zu knutschen. Yo Majesty! aus Florida zelebrierten lesbische Sisterhood, Partylaune und Empowerment mit butchem Auftreten, und Deadlee aus Los Angeles gab den perfekten Gangster. Mit Bandana, Baggy Pants und Goldkette rappt er über schwulen Sex, das Coming Out und seine Folgen und lässt in seinen Videos immer wieder die Kamera in zärtlichen Close-Ups über seine Homies fahren - klassische Hip-Hop-Ikonographie mit schwulem Begehren.

Globale Beats

Das ist bei den jungen New Yorker Rappern anders. Le1f bezeichnet sich zwar noch ironisch als «Gayngster», aber er, Zebra Katz und Mykki Blanco rappen anstatt über Hip-Hop-Beats eher über die Mischung aus Trap, roughem House und Global Bass Spielarten. Nicht umsonst treten auf den Clubnächten der befreundeten Drag Queen Venus X DJ-Produzenten wie Nguzunguzu oder Kingdom auf, deren Geschlechterperformance um einiges konventioneller ist.

Aktiv in Deutschland

Aber ausserhalb der Blase aus gut vernetzten Producern, Performern, Journalisten und Ausgehprofis wird queerer Rap bis jetzt selten wahrgenommen. Die deutsche Rapperin Sookee beschreibt sich als «Quing», um allzu starke Geschlechterbinaritäten aufzulösen, und spricht sicht wortgewaltig gegen Sexismus und Homophobie aus. Ihr Publikum findet sie aber eher in der Antifa-Szene als unter Hip-Hop-Fans.

Trans-Angola

In den Hip-Hop-Hochburgen im westlichen und südlichen Afrika sind Homo- und Transphobie teils sogar Staatsdoktrin. Ausgerechnet aus Angola kommt jedoch Titica, eine 25-jährige Kuduro-Rapperin, deren Sprechgesang die Airwaves und Tanzflächen der Hauptstadt beherrscht. Geboren wurde sie als Mann, vor vier Jahren begann sie eine Transition in Brasilien. Und obwohl sie deshalb in ihrer Heimat als «unafrikanisch» gilt, ist sie die Königin des Kuduro. Ihr Trademark ist übrigens ein langgezogenes «Aaaaaah – Assume!». Es bedeutet «Steh dazu!»

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht bei Funkhaus Europa.

Biography

Christian Werthschulte lebt in Köln und arbeitet in Bochum. An beiden Orten schreibt er für Zeitungen, Magazine und den Doktortitel über Pop, British Cultural Studies und Kanadische Literatur.

Published on October 25, 2012

Last updated on April 30, 2024

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